Ganz bestimmt nicht Times New Roman

o, jetzt kommen sie, die im letzten Beitrag versprochenen Beispiele. Sie sollen verschiedene Möglichkeiten illustrieren, wie Buchstaben dargestellt werden können (beispielsweise mit Apfelsinenschale, siehe links).
Oder auch, wie sie uns manchmal vorgegaukelt werden (was uns nicht davon abhält, welche zu „sehen“).
Ich fange mit Buchstaben an, die man nur unter bestimmten Bedingungen lesen oder überhaupt sehen kann. Vermutlich habe ich von dieser Möglichkeit erst als ungefähr Zehnjähriger erfahren, es hat aber über 60 Jahre gebraucht, bis ich dazu kam, sie tatsächlich zu prüfen. Jetzt kommt die Fangfrage: Was steht hier geschrieben?

Nun ja, wenn du genau hinschaust, siehst du, dass irgendetwas die Pappe ein wenig gewellt hat. Mit viel Fantasie könntest du vielleicht oben links einen Buchstaben erahnen. Trotzdem war ich recht zuversichtlich, dass mein Geheimnis sicher war, bis jemand (ich) ein Streichholz nahm (mehrere sogar), um die Oberfläche zu erhitzen (ohne einen Flächenbrand zu entfachen). Das brachte die Zuckermoleküle des Zitronensafts dazu, zu karamellisieren (neben einigen Pappfasern, die auch anfingen, zu kokeln). Und siehe da, meine Zitronensaftbotschaft wurde lesbar:

Das folgende Beispiel demonstriert unsere Neigung und unsere Fähigkeit, Muster zu erkennen und ganz allgemein Schlüsse zu ziehen (manchmal richtige, manchmal nicht):

Hier siehst du eigentlich nichts weiter als Löcher in einem Stück Styropor. Dennoch bin ich mir sicher, dass jede Person, die irgendein lateinbasiertes Alphabet kennt, zusätzlich ein „S“ sieht.
Und hier ein ähnliches Gebilde, jedoch ohne Löcher. Es ist ein Bild von einem Stück Holz, wobei die Löcher im Styropor des vorherigen Beispiels an bestimmten Stellen mehr Licht durchlassen als an anderen Stellen. Und wieder meinen wir, ein „S“ zu sehen.

Die im nächsten Bild verwendete Technik ähnelt der vom Zitronensaftbeispiel, wenn die Methode auch brutaler ist. Anstatt erst vorsichtig eine Geheimbotschaft unter Verwendung von Zitronensaft zu schreiben, wurde die Markierung gleich mit einem heißen Brandeisen in die Rückenlehne eines Stuhls eingebrannt. (Fun fact: Abgesehen von den Buchstaben besteht dieses Logo aus einer einzigen, ununterbrochenen Linie.)

Natürlich kannst du Buchstaben auch weben:

Ich bin über dieses Beispiel gestolpert, als ich (während der Suche nach einem anderen Gegenstand) diese Schale aus einem Schrank holte. Der Lexzentriker in mir fragte sich, was das Wort “karibu” bedeutet. Es stellt sich heraus, dass in Tanzania das Wort häufig als Willkommensgruß verwendet wird. Darüber hinaus aber klingen mehrere Bedeutungsschichten mit an, wie Großzügigkeit, Respekt und Verbundenheit. Schönes Wort, oder?
Hast du eigentlich mit der Idee der „Nicht-Buchstaben“ von Beitrag 9 etwas anfangen können? Das sind Gebilde, die unser Gehirn zu einem wahren Detektiv machen. Du könntest aber auch sagen, unser Gehirn bildet sich Dinge ein, die einfach nicht da sind. Fangen wir mit diesem Beispiel an:

Glaubst du nicht? Schau dir das „T“ im Wort „Satz“ genauer an. Es besteht aus einer Art Minuszeichen links und einem geknickten Streifen mit drei rechten Winkeln rechts. Hier ist es wieder in groß:

Diese Schreibweise hast du bestimmt nicht in der Schule gelernt. Hat das dein Gehirn daran gehindert, ein “T” zu lesen? Nein. Es hat sich irgendwie eine Lichtquelle von oben links eingebildet, angenommen, rechts unten Schattierungen zu erkennen und sich daraufhin gesagt: Aha! – ein Trick! Das sind eigentlich raffiniert dargestellte Buchstaben! Heh, heh, so schnell lasse ich mich nicht hinters Licht führen!
Manchmal wissen Schriftart-Designer nicht so recht, wann sie es mit ihrer Sache übertreiben. Die folgende Schriftart, die ich im Internet entdeckt habe, hat es in sich. Du musst irgendwie ein bisschen schielen oder deine Augen halb schließen, um sie zu lesen. Hinweis: Ein paar Margaritas könnten vielleicht auch helfen:

Wenn du überlegst, mit was für einer winzig kleinen Menge Informationen dein Gehirn mit diesem Beispiel gefüttert wird (schau dir das „v“ von „vielleicht“ im obigen Satz genauer an), ist es erstaunlich, was es entziffern kann. Mit dieser Schriftart funktioniert es vermutlich nur dann, wenn du mehrere Buchstaben (OK, Nicht-Buchstaben) in einer Reihe siehst. Ohne den Kontext von Nachbarbuchstaben wirst du wahrscheinlich nicht weit kommen:
Die nächsten beiden Bilder zeigen ein “i” für sich allein und ein “r” für sich allein aus dem obigen Beispiel.

Als Einzelzeichen sind sie als Buchstaben nicht zu erkennen.
Zum Schluss zeige ich hier ein Beispiel, dass recht leicht zu lesen ist – es sind in Holz geschnitzte, relativ normale Buchstaben. Ich musste es aber zeigen, weil mir die sehr detaillierte und hochwertige Schnitztechnik so imponiert. Das Holz ist Eiche, die bereits alt war, als es 1825 für den Bau des Schiffs HMS Formidable verwendet wurde. (Google Gemini schätzt, dass die junge Eiche irgendwann zwischen 1675 und 1765 gekeimt sein müsste.) Als 1906 das Schiff verschrottet wurde, wurde das Holz verkauft. Einige Teile, die daraus gebaut oder gemacht wurden, sind in den Besitz meiner Familie gekommen, darunter dieser Blasebalg. Und jedes Mal, wenn ich mit seiner Hilfe versuche, das Holz in unserem Holzofen zum Brennen zu animieren, muss ich diese Schnitzkunst bewundern und ehrfürchtig daran denken, dass das Holz über 300 Jahre alt sein könnte!

Wieder mal brauchte die englische Spalte dieses Beitrags weniger Platz, daher habe ich dort noch ein paar Beispiele drangehängt. Allerdings liefern verschiedene Browser verschiedene Spaltenlängen, daher kann man schlecht sagen, ob die Längen jeweils hinkommen.
Der Link unterhalb der Morse-Zeichen führt zu einem Morse-Übersetzer, und bei der Braille-Schrift kannst du das Bild einem KI-Chatbot zum Entzifferen geben – erwarte aber keine riesigen Überraschungen 🙂
Definitely not Times New Roman

o, to follow up on the last article, this one consists mainly of examples and ideas illustrating how letters can be produced, which in some cases means conjured up out of nowhere. Or with orange peel, see left.
For instance, I was delighted to find that a distant memory that can probably be traced back to one of the weekly comics that we kids had at home turned out to be valid – not only had I remembered the technique correctly, but it actually works quite well. The trick question is: What secret message is hidden here?

Well, yes, if you look closely you can see that something or other has made the cardboard warp slightly. And with a lot of imagination you may be able to guess that there’s a letter up towards the top left. But I was quite confident that my secret message was safe, until somebody (it was me, actually) took a match (it was several, actually, and they were 10 cm long) and heated up the surface without letting anything catch fire. And that was when sugars etc. in the lemon juice (as well as some of the cardboard fibres) begin to caramelize:

The next example illustrates how willing we are to see patterns and generally put two and two together:

What you see are just holes in a piece of polystyrene. But I defy any person brought up with even a distant acquaintance with a Latin-based alphabet not to see the letter ‘S’ as well.
And in the following example there aren’t even any physical holes. You are just looking at an image of one contiguous piece of wood where the holes of the previous example are allowing more light to impinge on some parts than on others:

In a similar way to the lemon juice example above, though a little more brutal, the letters in the image below have been created with the aid of something very hot, branding the back of a chair in a public bathing area at our local lake. More caramelization, I suppose. (Fun fact: Apart from the letters, this logo consists of one continuous line.)

You can, of course, also weave letters:

Finding this example had the added benefit of getting me to find out what the Swahili word ‘karibu’ means. On the surface, it means ‘welcome’, but it also goes deeper in the direction of generosity, respect and connectedness. Pretty cool word.
Were you able to make any sense of the non-letter letters I mentioned in Article 9? This is an area where one’s brain really goes into overdrive and starts making things up as it goes along. How about this one for starters:

Don’t believe me? Just look at the initial ‘T’. It consists of a kind of minus sign on the left and what looks like a bent strip with three right-angles in it on the right. Here’s a close-up:

That is not how we were taught to write a capital ‘T’. Normally. Did your brain care? No. It somehow magicked a light source coming from the top left, assumed that it was seeing shadows to the right and said to itself: “Aha! – a trick! These are actually cunningly crafted letters! Heh, heh, you can’t fool me that easily!”
Sometimes people just don’t know when to stop. I found this font on the web. You really have to squint or half-close your eyes to get it. Hint: A couple of Margaritas might help, as well:

If you stop to think about the minute amount of information your brain is getting in this example (just look at the ‘w’ towards the end of the sentence) it’s quite astonishing what it can piece together. In this case, I suppose, it only works if there are quite a few letters (ok, non-letters) strung together into words. If you haven’t got the context of neighbouring non-letters, you may not get very far:
The next two images show an ‘i’ and an ‘r’ from this font in isolation.

Not much hope of recognizing them like that, I guess. Your brain does need a bit more context than that.
To round off, here’s an example that is easy enough to grasp – simply relief letters carved in wood – but I just have to include it on account of the extreme intricacy and craftsmanship involved. It’s carved out of oak that was already old and very hard when it was first put to use as part of the ship HMS Formidable in 1825. (Google Gemini estimates that the oak sapling would have sprouted somewhere between 1675 and 1765.) After the ship was scrapped in 1906, the wood was sold and some items made from it came into the possession of my family, including these bellows. When I use the bellows to encourage our wood-burning stove to get going I’m always astonished at the skill of the woodcarver and awed at holding something whose origins could go back as far as 350 years!

Here are a few more ideas to fill the space down to the end:


How about this:
.-.. . -..- -.-. . -. – .-. .. -.-. / -… .-.. — –.
(You may need to use a Morse code translator to reveal what it is, e.g.: https://morsecode.world/international/translator.html)

(You can ask your favourite AI chatbot to translate this Braille by uploading the image to it. But don’t expect much of a surprise if you already decoded the previous example or have already looked at this last example … )

—ooo—
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